Geschichte
Zur Geschichte der Evangelischen Kirche
und des Pfarrhauses
Beginnen wir 1831. In diesem wurde eine Erhebung über die religiösen Bekenntnisse in der Erzdiözese Wien gemacht. Bei dieser Erhebung wurden in Baden 12 Protestanten gezählt. Zur Zeit des Kirchenbaus im Jahr 1887 war die Zahl auf ca. 300 evangelische Christen angestiegen bis sie schließlich 1937 rund 1300 erreichte. Was war in dieser Zeit passiert?
Im Wesentlichen lässt sich dieser starke Zuwachs durch die Industrialisierung erklären. Im 19. Jahrhundert siedelten sich viele Betriebe in Wien und Umgebung an. Die Unternehmer stammten wie auch ihre Facharbeiter vielfach aus Norddeutschland und waren daher evangelisch. So eröffnete beispielsweise 1837 die Leesdorfer Maschinenfabrik im Bereich Mühlgasse / Fabrikgasse.
Wo konnten die evangelischen Unternehmer und Facharbeiter nun ihre Gottesdienste besuchen, ihre Kinder taufen und ihre Verstorbenen begraben lassen? Sie mussten sich an die Evangelischen Pfarre Wien wenden. Zugleich gab es ja noch keine Standesämter. Für die Registrierung von Geburten, Trauungen und Todesfällen waren die Pfarrämter zuständig. Für die Badener Protestanten war das ganz schön umständlich!
Gründung der evangelischen Pfarre Mödling
Die Situation entspannte sich, als im Jahr 1875 die evangelische Pfarre Mödling gegründet wurde, die auch für Baden zuständig war. Der in Mödling ansässige Pfarrer Heck war von Anfang an daran interessiert, in Baden eine Dependance zu errichten. Im Juni 1875 gründete er in der Schwimmschule (heute Römertherme) ein „Comité zur kirchlichen Ordnung“. Die Präsidentschaft übernahm der Industrielle Friedrich Wüste (1819-1897). Er stammte aus der Gegend von Hannover und errichtete 1867 an der Grenze zwischen Pfaffstätten und Baden (an der Stelle der ehemaligen Rohrmühle) eine Farbenfabrik. Die Pfaffstättener „Wüstegasse“ erinnert heute noch an ihn. 1876 fand der erste Gottesdienst im Großen Saal der Schwimmschule statt. Es erschienen 150 Personen. Die Konzentration auf die Schwimmschule mag verwundern, doch war diese DAS Badener Veranstaltungszentrum, jeder konnte sich dort Säle und Veranstaltungsräume reservieren lassen, es gab Fechtunterricht und unterschiedlichste Angebote für Freizeitgestaltung.
Im Lauf der Zeit wurden die Räumlichkeiten in der Schwimmschule zu klein. Und so übersiedelte man 1878 in die „Redoute“. Das war ein weiteres Fremdenverkehrszentrum Badens; es lag am Kaiser-Franz-Ring, dort wo die heutige Pfarrschule steht. Die „Redoute“ verfügte über ein Kaffeehaus, Lesesäle und einen großen, spätbarocken Ballsaal. Nun musste diese Lokalität im gleichen Jahr wieder aufgegeben werden, weil die Räumlichkeiten von einer Tanzschule beansprucht wurden. Da der Saal in der Schwimmschule inzwischen anderweitig vergeben war, gab es nun bis 1882 keine offiziellen evangelischen Gottesdienste. 1882 erbarmte sich ein Privatmann, Oskar Reddelieu. Im oberen Stockwerk seines Hauses in der Braitnerstraße 24 legte er vier Zimmer zusammen, die er für die gottesdienstliche Nutzung zur Verfügung stellte. 80 Personen fanden hier Platz – und noch 50 Jahre später erinnerten sich betagte Gemeindemitglieder, wie heiß und stickig es dort immer war! Als Reddelieu 1886 sein Haus verkaufte, musste eine Kirche her!
Elise Hötsch, geb. Dennewald (ca. 1818 – 1894)
Nun betrat Elise Hötsch geb. Dennewald (ca. 1818 – 1894) die Bühne. Sie gehört zu einer ganzen Reihe reicher Witwen, die in Baden als Großsponsoren wichtiger Projekte auftraten. Zu diesen Witwen zählten zum Beispiel Franziska Rath, die ihr Vermögen u.a. in die Errichtung des Badener Krankenhauses investierte (die Rathgasse erinnert an sie); Therese Göschl beteiligte sich u.a. großzügig an der Renovierung der Pestsäule und der Pfarrkirche St.Stephan (Göschlgasse, Theresienwarte); Caroline Uetz-Redl unterstützte in besonderer Weise das Stadttheater Baden (Uetzgasse).
Warum lauter kinderlose Witwen, und warum gerade zu dieser Zeit? Im Lauf des 19. Jahrhunderts wurden Frauen zunehmend zu Damen, die sich die Hände nicht schmutzig machen durften. Sie lernten Französisch, Klavierspielen und Zeichnen. Im Haushalt hatten sie ein „Mädchen“ für den Haushalt. Was tat eine solche Frau, wenn sie keine Kinder bekam und ihr Mann starb? Durch großzügige Spenden konnten sich diese Damen selbst verwirklichen, Ansehen und Nachruhm erwerben. So finanzierte Elise Hötsch den Kirchenbau praktisch im Alleingang. Und schließlich stiftete sie auch noch ein Kapital, aus dessen Zinsen ein Pfarrer besoldet werden konnte.
Elise Hötsch war die Gemahlin des Bukarester Kaufmanns Friedrich Hötsch (ca. 1804 – 1880), der ursprünglich aus Sachsen stammte. In Rumänien investierte der erfolgreiche Unternehmer enorme Summen in soziale Projekte wie z.B. in einen Witwenfonds, einen deutschsprachigen Kindergarten und die Gründung eines evangelischen Waisenhauses. Darüber hinaus beteiligte er sich maßgeblich an dem Bau einer evangelischen Kirche in Bukarest.
Nachdem sich das Ehepaar seit 1851 mehrfach in Baden als Kurgast aufhielt und Friedrich Hötsch 1880 verstarb, zog seine Frau nach Baden, um hier ihren Lebensabend zu verbringen. Was für ein Glück für die Evangelischen Christen in Baden!
Ausbau unserer Kirche
Der erste Pfarrer war kränklich und starb bald, und nun begann 1896 die Zeit des großen Pfarrers Robert Fronius. Er stammte aus Siebenbürgen, blieb bis 1938 im Amt und starb erst 1954. Er fand die Kirche „kalt und arm“, außerdem war sie schon wieder zu klein geworden. So ließ er schöne bunte Fenster einsetzen, vergrößerte die Empore, verlegte die Stiegen in den Turm und ließ den Altarraum erweitern. Und so entstand das Kirchengebäude, wie wir es heute vorfinden und nutzen dürfen.
Pfarrer Wieland Curdt
Pfarrer in der Geschichte der Evangelischen Kirche Baden
Die Daten und Fakten beruhen auf einem Vortrag, den Dr. Rudolf Maurer am 24. Mai 2019 im Rahmen der „Langen Nacht der Kirchen“ gehalten hat.